Tag der Anreise oder „Ich sitze nur aus Sicherheitsgründen, das Leben im Stehen ist einfach zu gefährlich“

Hier beginnt unser Reisebericht. Ich versuche mich nach dem 17 Stunden Tag, den unsere kleine Reisegruppe nun hinter sich hat, zu sammeln um zumindest ein paar Eindrücke zu Papier zu bringen. Meine Finger kleben an der Tastatur, vom Meer, den Erlebnissen und der Sonnenmilch – hinterlassen kleine Abdrücke. Christin lief gerade an mir vorbei und sagte “ Annemone, die Gedanken kommen mit dem Laufen und wir sind heute nicht gelaufen“ Womit wir nun tatsächlich einen Anfang hätten. Wir sind heute nicht gelaufen. Wir sind erstmal sehr viel Auto gefahren, den Frankfurt-Hahn, man mag es kaum glauben, hat mit Frankfurt herzlich wenig zu tun. Allerdings ließ sich der Flughafen durch die Vorfreude, einem Frühstück und übermüdeten Witzeleien ausgezeichnet ertragen. Wenn man mit dem Rollstuhl unterwegs ist, brauch man vor Allem eines – Geduld. Geduld, bis die Dame am Schalter die nötigen Papiere zusammen hat, es scheint fast als würden die Gesellschaften mehr Kanus transportieren als Rollstühle. Geduld, bis das nötige Personal vor Ort ist um mit speziellen Treppenstühlen bzw. Aufzügen, bereit ist uns zum Flugzeug zu bringen. Und wer würde es vermuten – auch Geduld, das Flugzeug wieder zu verlassen. Geduld sich einfach darauf einzustellen, dass Dinge ihre Zeit brauchen. Denn letztendlich ist der feine Unterschied nur der, dass man sonst immer der Meinung ist eine Reise müsste schnell gehen weil alles immer schnell gehen muß, sobald man eine andere Perspektive wählt oder wählen muß, bekommen Dinge eine andere Geschwindigkeit, eine andere Aufmerksamkeit. Die innere Hetzerin verlangt nach Schnelligkeit. Schnell ins Flugzeug, schnell wieder raus, Erster in der Schlange, auch wenn man 45 Min. vor dem Boarding schon am Schalter steht. Geballte Ungeduld und Zeit rinnt keinen Meter, auch die Menschenmaße bewegt sich nicht. Babett, sitzt einfach da mit einer unglaublichen Ruhe und letztendlich geht alles genau so schnell wie beim „Fußgänger“. Zumindest bei uns ist dies heute der Fall. Und so starten wir direkt mit einer Entschleunigung, die sich so manch Einer am Ende seines Jakobsweges zu erreichen erhofft. Pilgerweg_032 Unsere ersten und wahrlich nicht Einzigen Helfer des Tages waren Roland und Benjamin vom DRK, die sich doch so sehr über unseren übermüdeten Witz, einige schallende Lacher und Tatendrang freuten, dass sie Babett kurz vor dem Einstieg fragten, wie es denn mit dem Treppe steigen aussähe. Babett erholte sich kurz und antwortete dann in diesem herrlichen Schalkton, an den ich mich sehr schnell gewöhnt habe : Ich sitze nur aus Sicherheitsgründen, das Leben im Stehen ist einfach zu gefährlich. Das rührt wohl daher, dass ich auf dem Weg zu Babett und Chrissi gestern an der Tankstelle noch versucht habe mir den Knöchel zu brechen…nur um sicher zu gehen. ( Es mißlang Gott-sei-Dank ) Christin erging es nicht besser, sie hatte auch so einige, sagen wir mal „gesundheitsgefährdende“ Situationen in den letzten drei Tagen. Pilgerweg_040 Pilgerweg_050 Pilgerweg_059 Wir hatten uns schon heute morgen in Deutschland entschieden, nicht nach Porto reinzufahren sondern direkt auf unserem Weg aufzubrechen. Geplant waren erst einmal 10 Kilometer von Lavra zur ersten Etappe zu laufen und dort ein wenig Erholung zu finden. Um Lavra zu erreichen und uns vom Flughafengelände zu entfernen, gab es (wie es schien) tausend verschiedene Buslinien.Und ich kann nur sagen, wir hatten es mit waghalsigen, fast schon lebensmüden Busfahrern zu tun, mit falschen Buslinien und ungeheurer langen Wartezeiten an nicht befahrenen Bushaltestellen. Pilgerweg_079   Pilgerweg_096 Pilgerweg_099 Pilgerweg_115 2 Stunden, 10 km, eine halbe Flasche Sonnenmilch, Sarkasmus, sehr viele hilfsbereite Menschen später hat uns der Zufall an einen wunderschönen Ort gebracht. Hier sollten wir laut einem sehr netten Urlaubspaar aus dem Bus an einem Campingplatz auf Reiner treffen, DER EXPERTE in Sachen Jakobsweg. Nach unserer Odyssee hat  nur einen Blick auf den Kiefernwald, das Meer  und ein kurzes Gespräch mit dem Unikat Rainer gereicht, uns fürs Bleiben zu entscheiden. Pilgerweg_131 Pilgerweg_135   Es scheint, als wären unverrückbare Pläne hier weder ratsam noch hilfreich und ich entwickele eine unglaubliche Freude daran Impulsen zu folgen und die Zeit sich selbst zu überlassen. Abschließend dazu können wir berichten, dass wir morgen nach Rates aufbrechen und unsere erste Etappe von 22 Km in Angriff nehmen. Es mag Alles noch ein wenig konfus und „aufzählerisch“ wirken, dass wird sich aber hoffentlich baldigst geben. In diesem Sinne, auf Bald!   Pilgerweg_151
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8 Gedanken zu “Tag der Anreise oder „Ich sitze nur aus Sicherheitsgründen, das Leben im Stehen ist einfach zu gefährlich“

  1. Lieben Dank für den ersten Bericht 😉 Ich wünsche Euch morgen einen guten Start. Keep calm and walk 😉 LG Samma

  2. Es hat Spaß gemacht euch in den Flieger zu bringen, sich von eurer Fröhlichkeit anstecken zu lassen. 🙂

  3. Sehr schön geschrieben. Freu mich auf weitere Berichte und Bilder. Eine gute Nacht euch und viel Kraft für Morgen

  4. Sonntag 2.02 Uhr, Absolvententreffen mit viele Besuchern ist vorbei. Ich kann nicht schlafen und hab grad für die nächsten Tage ein neues Hobby entdeckt – euren Blog lesen. Schon die ersten Zeilen waren ein Vergnügen, Die Bilder machen alles vorstellbarer. Weiterhin gute Reise! Bleibt gesund! Gruß Anne

  5. … Wunderbare Worte, wir sehen, ihr habt mit der Arbeit begonnen. Ja, Pilgern ist Arbeit an sich selbst und ihr seid ja nicht zum Spass da… :-)) Nehmt euch, was der Weg euch gibt, denn (alte Pilgerweisheit): Er gibt dir genau das, was du brauchst! Folgt euren Gedanken, kommt an eure Grenzen, überwindet euch selbst und genießt vor allem die Schönheit der Natur. Mit Wenig auskommen, völlig erschöpft und trotzdem zufrieden einen Tag zu beenden und nicht zu wissen, was der nächste bereithält, bringt den Geist ins Lot (Ist das „im richtigen Leben“ auch immer so?). Wir wünschen euch (positive) Erfahrungen, (bleibende) Begegnungen und (jede Menge) Spaß. Mögen die Füße und die Reifen durchhalten und das Bier immer schmecken. Wir sind gespannt, wie es weiter geht!!
    Muchos saludos en tres peregrinas, buen camino y ultreia !! Manu+Kai

  6. Oh klasse, vielen Dank für die ersten so interessanten Eindrücke und die tollen Fotos! Das mit der inneren Hetzerin, werde ich mir merken, cooles Wort! Die muss ich auch öfter mal loswerden!!!
    Viel Spaß euch und gutes Gelingen mit eurem Weg!

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