Begegnungen – „Wir laufen weil wir uns lieben „

Heute haben wir endlich die spanische Grenze erreicht und legen in Tui , 119 km vor Santiago, eine Pause ein.

Blasen oder ähnliche Blessuren sind uns durch die gut eingelaufenen Schuhe erspart worden, allerdings lassen die Kräfte etwas nach und jeder Tag beginnt damit, die müden Muskeln wieder zu erwärmen und den verregneten Kreislauf wieder aufzuwecken.

Das Wetter klart heute endlich etwas auf, so dass wir die nasse Wäsche endlich in die Wärme hängen können.

So bleibt heute auch ein bisschen Zeit sich auszuruhen, den eigenen Gedanken nachzugehen und zu reflektieren.

Was seit Beginn unserer Reise extrem auffällt, ist, dass wir noch nie in einer Situation waren, die wir nicht hätten meistern können. Und Hilfe war immer an Ort und Stelle bevor wir überhaupt darum hätten bitten können.

Heute geht es um Begegnungen. Unsere persönlichen Helden, die uns jeden Tag begegnen und uns den Tag ein bisschen erleichtern, aber vor allen Dingen erhellen.

Der Weg macht sensibel für Zeichen. Nicht nur die offensichtlichen Zeichen, die uns den Weg weisen, sondern auch für die Fügungen. Hier wird man im besonderen Maße sensibel, der Glaube an Zufall wird einem ein für alle Mal abgewöhnt.

Der Regen, die Schmerzen und Anstrengungen, das Glück und die Flut der offenen Herzen auf dem Camino waschen den Alltagstrott von uns und wir werden jeden Tag offener für den Augenblick. Plötzlich brechen all die Alltäglichkeiten, Muster und Glaubenssätze, die wir über uns selbst haben, weg.

Realitäten und Fakten verlieren sich wie unbedeutende  Details in der Ferne und was bleibt, sind nur diese wunderbaren Dinge, die im Herzen mitgereist sind. Eingeschlossen im inneren Handgepäck. Langsam räumt sich alles Unnötige aus, geht verloren am Wegrand oder wird vergessen. Liebe bleibt. Wohnungen, Konten, Zettel und verlegte Worte  zerstreuen sich.

Alles bricht auf eine Essenz herunter und das sind vor allem die Menschen.

Wie schon im letzten Eintrag beschrieben, ist es besonders eindrücklich, wie der natürliche und völlig selbstverständliche Zusammenhalt unter den meisten Pilgern ist. Innerhalb von Minuten pilgert plötzlich Gerd mit uns durch den Platzregen, und obwohl wir sehr viel langsamer sind als der Großteil, hält er Minuten später das Seil, das wir am Rollstuhl befestigt haben und zieht uns durch den Schlamm.

_MG_9541

Gerd aus Hamburg / Porto – Santiago, getroffen auf dem Weg nach Ponte de Lima

Warum läufst Du ?

Gerd : „Ich mag den Minimalismus und die Langsamkeit“

Hast du einen Kernsatz im Leben ?

Gerd : „Tu es und tu es einfach! “

 

 

Heute haben wir auch Peter und Anne wiedergetroffen, die wir schon auf einer der ersten Etappen kenngelernt haben. Die Beiden tauchen immer wieder auf, meist an besonders unwegsamen Stellen, wenn Chrissi und ich mit schweren Armen eine kleine Pause einlegen, um Kräfte zu sammeln und helfen wo sie können, irgendwann begrüßten sie uns schon liebevoll mit “ unsere Mädels“.

Vorhin ergab sich nun endlich auch mal eine Möglichkeit sich bei einem Weisswein zu unterhalten. Und wie es zu erwarten war, gab es ein grundsätzliches Verständnis und eine Wellenlänge, die insbesondere nach den harten Tagen eine wundervolle Abwechslung war.

Ein paar Tränen der Rührung inklusive…

_MG_9593

Anne (69) & Peter (72) aus Deutschland

Warum lauft ihr ?

Peter: “ Ich kann Dir sagen warum wir laufen, wir laufen weil wir uns lieben…so einfach ist das.“

Anne und Peters Geschichte hat mich besonders berührt.

Die Beiden haben sich vor 5 Jahren auf einem Klassentreffen wieder getroffen und hatten sich 50 Jahre nicht gesehen. ( Anne : “ Ich hatte mein Konfirmationskleidchen an, in das ich nach 50 Jahren immer noch gepasst habe. ) 

„Er fühlt sich an wie mein Seelengefährte … wir kennen uns eigentlich nicht, aber wir kennen uns gut…, es gibt keine Zufälle und manche Menschen trifft man, weil man sie treffen muss und dann soll es genau so sein “

In diesem Sinne, auf Bald!

Buen Camino

 

 

5 Gedanken zu “Begegnungen – „Wir laufen weil wir uns lieben „

  1. Wow, ihr macht das toll!
    Ich freue mich inzwischen jeden Tag schon auf eure Berichte, Geschichten, Fotos und Videos und verfolge sie mit Spannung! Danke!

  2. „Ich hab lieber nasse Füße vom über´s Wasser gehen.
    Anstatt aus ´nem trocknen Boot dem Leben hinter herzusehen.
    Ich will lieber raus und nicht nur im sicheren Hafen bleiben.
    Wer wirklich frei sein will, muss auf´s offene Meer, auf´s offene Meer raus treiben.
    Ich bin geboren, um zu leben.“

  3. Ich bin einfach nur beeindruckt. Von der Reise, von dem Weg, den Ihr beschreitet und von den tollen Worten und Bildern. Viel Sonne auf Eurem weiteren Weg.

Hinterlasse einen Kommentar